Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Investitionen im politischen Abseits

Von Prof. Dr. Michael Grömling

Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln

Im NRW-Wirtschaftsblog schreibt Prof. Dr. Michael Grömling über Investitionsentscheidungen der Unternehmen.

Die Pandemie und die geopolitischen Konflikte mit ihren vielfältigen Auswirkungen begrenzen die Investitionsmöglichkeiten der Unternehmen und belasten deren Investitionsneigung. In Deutschland liegen die preisbereinigten Investitionen in Maschinen, Ausstattungen, Geschäftsfahrzeuge und immaterielle Kapitalgüter deutlich unter dem Niveau von 2019. Verbesserungen sind für 2024 nicht in Sicht. Das ist ein handfestes Problem. Denn das Produktionskapital und damit ein wesentlicher Treiber unseres Wohlstands macht seit fünf Jahren keine Fortschritte mehr. 

Investitionsfortschritte sind aber notwendig. Denn Unternehmen aus Industrie und Dienstleistungswirtschaft sind gefordert, ihre Produktionsprozesse über Investitionen und Innovationen den langfristigen Herausforderungen anzupassen. In der laufenden Dekade wird ein weitreichender demografischer Wandel einsetzen. Die Wirtschaftsleistung und der Wohlstand müssen von einem relativ und sogar absolut schrumpfenden Teil der Bevölkerung erbracht werden. Dem muss durch einen zusätzlichen Kapitalaufbau und einen forcierten technologischen Fortschritt gekontert werden. Auch der Klimawandel bewirkt vielfältige gesellschaftliche und ökonomische Anpassungen. Und dies erfordert ebenso umfangreiche Innovationen und Investitionen. Die Pandemie mit ihren Lieferstörungen und Materialknappheiten, die akuten Kriege mit ihren Folgen für die globale Energie- und Rohstoffversorgung haben die Gefahren von natürlichen sowie politisch verursachten Ressourcenknappheiten verschärft. Dies hat Implikationen für den Investitionsbedarf im Inland. Nicht zuletzt treiben neue Basistechnologien den Strukturwandel und die Notwendigkeit für Investitionen und Innovationen an. 

Digitalisierung eher Chance statt Risiko für Investitionstätigkeiten

Wie schätzen Unternehmen die Chancen und Risiken dieser Megatrends für ihre eigenen Investitionen am Standort Deutschland ein? Eine aktuelle Befragung des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt, dass über alle Branchen hinweg die Digitalisierung eher als eine Chance für die eigene Investitionstätigkeit verstanden wird. Auch aus dem Aufbau resilienter Lieferketten ergeben sich eher Chancen für Investitionen in Deutschland. Ein Drittel der Unternehmen sieht in der Dekarbonisierung eher Chancen, fast ein Drittel sieht Risiken und gut ein Drittel erwartet von ihr keinen Einfluss auf die eigenen Investitionen am Standort D. Dabei werden die Risiken von den Industrieunternehmen merklich stärker betont als in der Dienstleistungs- und Bauwirtschaft. Für die Hälfte der Unternehmen bedeuten Deglobalisierung und Protektionismus ein Investitionsrisiko. Ein solches – und zwar für vier von fünf Unternehmen – ist auch die demografische Entwicklung. Fehlende Fachkräfte erfordern einerseits Investitionen, erschweren sie andererseits aber auch. 

Welche Rolle spielt die Grundausrichtung der Wirtschaftspolitik bei Investitionsentscheidungen?

Aufregend ist der Befund, dass über alle Branchen hinweg für knapp zwei von drei Unternehmen die Grundausrichtung der Wirtschaftspolitik ein Risiko bei ihren Investitionsentscheidungen in Deutschland ist. Das ist ein hausgemachtes Problem. Die Unzufriedenheiten mit dem Ausmaß an Bürokratie und Regulierungen, mit dem Niveau der Unternehmenssteuern und mit dem Zustand der öffentlichen Infrastrukturen stellen hierzulande zentrale Investitionshemmnisse dar. Bereits Mitte der vergangenen Dekade standen die gleichen Argumente auf den vorderen Rängen der Investitionsblockaden. Offensichtlich wurden bei diesen investitionsrelevanten Standortfaktoren keine wirksamen Verbesserungen in die Wege geleitet. Fehlender politischer Wille blockieren nicht nur, die akute Investitionsschwäche in Deutschland zu überwinden. Vielmehr hemmt diese Ignoranz die Unternehmen auch, die großen Herausforderungen durch die Digitalisierung, die Dekarbonisierung, die demografische Entwicklung und den Aufbau resilienter Lieferketten bewältigen zu können.

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Prof. Dr. Michael Grömling

Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln

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