Der NRW-Wirtschaftsblog
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im Westen

Der Wert des WDR – und die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanzierung

Von Tom Buhrow

Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR)

Der Intendant des Westdeutschen Rundfunks, Tom Buhrow, schreibt im NRW-Wirtschaftsblog über den Wert des WDR – und die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanzierung

312 Mio. € - mit dieser Summe hat der WDR im Jahr 2016 Leistungen von freien Mitarbeitern eingekauft. Freie Mitarbeiter, das  sind Journalisten und Autoren, die als selbstständige Kleinunternehmer für den WDR arbeiten. All diese Menschen leben und arbeiten in Nordrhein-Westfalen, sie tragen hier zum Bruttoinlandsprodukt bei. Dazu kommen mehr als 70 Mio. Euro, die wir 2016 in NRW für Auftrags- und Koproduktionen von freien Produktionsfirmen ausgegeben haben. Damit ist der WDR ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in unserem Land.

Die Menschen sehen und hören vom WDR aber vor allem das Programm: Sie lieben die Maus im Fernsehen und die Bundesliga-Schaltkonferenz auf WDR2, sie genießen die Konzerte unserer Klangkörper, sie nutzen unsere Bildungs- und Informationsangebote: Nach wie vor schalten die meisten Menschen die öffentlich-rechtlichen Nachrichten ein, wenn es wichtig wird.

Mit diesen ganz unterschiedlichen Programmangeboten bereichern wir die Menschen mit seriöser Information, mit Unterhaltung, Sport, Kultur, Bildung und Service. Man könnte sagen: Unser Produkt ist Lebensqualität!

Dieser Public Value geht also weit über den rein wirtschaftlichen Wert hinaus: Für den Rundfunkbeitrag bekommen Sie gutes Programm und Sie fördern die heimische Wirtschaft.

"Die von der ehemaligen Landesregierung beschlossene Kürzung der Werbezeiten trifft den WDR hart."

Entsprechend wenig Verständnis haben viele Unternehmen in Nordrhein-Westfalen für die Entscheidung der ehemaligen Landesregierung, die Werbezeiten im WDR-Hörfunk deutlich zu kürzen – auch weil gerade unsere Hörfunkwellen aufgrund ihrer Reichweiten und der ausdifferenzierten Zielgruppen ein ideales Werbeumfeld für mittelständische Unternehmen darstellen. In persönlichen Statements forderten in den vergangenen Monaten etliche Geschäftsführer, die Pläne rückgängig zu machen, da sie konkret Arbeitsplätze gefährden würden – bislang ohne Erfolg.

Uns im WDR hat diese Entscheidung hart getroffen. Anders als Unternehmen auf dem freien Markt können wir die Ausfälle nicht durch neue Einnahmen auf anderen Gebieten kompensieren. Wir sind auf den von der Politik festgelegten Rundfunkbeitrag angewiesen. Die Höhe des Beitrags basiert auf den Empfehlungen einer unabhängigen Kommission, die den realen Bedarf der öffentlich-rechtlichen Sender berechnet. Doch als der Beitrag von 17,50 Euro festgelegt wurde, hatte die Kommission unsere Einnahmeausfälle aus der Werbung noch nicht eingepreist. Nun klafft für die Jahre 2017 bis 2020 ein Loch von 51 Millionen Euro, eine Kompensation ist bislang nicht in Sicht, und eine Neubewertung ist erst für 2020 vorgesehen. Was dies für ein Unternehmen wie den WDR bedeutet, das sich bedingt durch den digitalen Wandel mitten im größten Reformprozess seiner Geschichte befindet, liegt auf der Hand.

Diese Reformen, die wir derzeit konsequent umsetzen, machen uns schlanker, effektiver, effizienter und sie machen uns fit für die Zukunft. Dazu gehört auch der Abbau von 500 Planstellen bis 2020. Durch diese und viele andere Maßnahmen hat es der WDR aus eigener Kraft geschafft, dauerhaft 100 Millionen Euro weniger auszugeben – und das Jahr für Jahr. Und das, obwohl der Rundfunkbeitrag seit 2009 nicht erhöht wurde, nicht einmal um den Inflationswert. Gleichzeitig passen wir unsere Angebote und Strukturen den neuen Gewohnheiten unserer Nutzer an, die überall und jederzeit informiert werden wollen. Unsere Sport-, Wirtschafts- und Wissenschaftsressorts haben die traditionellen organisatorischen Aufteilungen nach Fernsehen, Hörfunk und Online aufgegeben und arbeiten jetzt auch räumlich zusammen. Und bei der Qualität bleiben wir führend, unsere Virtual-Reality-Formate zählen zu den innovativsten, die es derzeit in Deutschland gibt. Die Projekte „Dom in 360 Grad“ und „Ihre Wahl – der WDR-Kandidatencheck“ sind gerade mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet worden. Ein Unternehmen, das dies alles schafft, ist enorm flexibel, leistungsfähig und reformwillig.

Doch nun kommen auch wir an unsere Grenzen. Sollte der Rundfunkbeitrag auch 2021 nicht erhöht werden und würde die zweite Stufe der Werbezeitenverkürzung ohne Kompensation eingeführt, dann müssten wir darüber sprechen, welche Angebote wir künftig noch leisten können – und welche nicht. Die Frage muss erlaubt sein: Sind sich die Verantwortlichen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für NRW wirklich bewusst?

Denn mit rund 4.000 festangestellten Mitarbeitern im Jahr 2020 bleibt der WDR ein großer Arbeitgeber, der wichtige wirtschaftliche Impulse für den Medienstandort NRW setzt. In diesem lebendigen und produktiven Wirtschaftszweig ist der WDR ein nicht wegzudenkender Faktor: als Auftraggeber für unsere freien Mitarbeiter, für Produzenten und Autoren, für unabhängige Dienstleister und Kulturschaffende aller Metiers. Wir sichern die Attraktivität des Landes als Medienstandort in Zeiten von Konvergenz und digitaler Transformation.

Wir im WDR sind verlässliche Partner der Menschen und der Wirtschaft in NRW. Das wollen wir bleiben.

Über den Autor
Tom Buhrow

Intendant des Westdeutschen Rundfunks (WDR)

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