Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Die Ampel muss jetzt liefern!

Von Arndt G. Kirchhoff

Präsident von unternehmer nrw und Vorsitzender des Beirats der KIRCHHOFF Gruppe

Der Präsident von unternehmer nrw, Arndt G. Kirchhoff, im Blog über die Arbeit der Ampel-Koalition im Bund und Erwartungen der Wirtschaft an die Politik für 2023.

Um es direkt zu sagen: Das Jahr 2023 muss ein Jahr der Umsetzung werden! Die strukturellen Herausforderungen für unser Land sind immens. Noch in diesem Jahr müssen sie beherzt und entschlossen angegangen werden. Wenn uns jetzt keine nationale Kraftanstrengung gelingt, dann fürchte ich um schwerwiegende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.

Wir alle wissen, dass die politische Lage und damit auch die wirtschaftspolitische Ausgangssituation hochgradig unsicher und damit ernst sind. Bisher sind wir zwar verhältnismäßig gut durch die schwierige Zeit gekommen. Das heißt aber nicht, dass wir die Krisen bereits bewältigt hätten – im Gegenteil: Da liegt noch ein langer Weg vor uns. Vielmehr müssen wir aufpassen, dass wir durch die Krise nicht dauerhaft geschwächt werden. Die Kardinalfrage für unser Land bleibt die sichere und bezahlbare Energieversorgung. Die gute Nachricht ist: Für diesen Winter kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gasmangellage ausgeschlossen werden. Aber: Das darf uns alle nicht in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiegen. Denn wir können uns nicht darauf verlassen, dass der nächste Winter auch so mild wird. Deshalb bleibt Energiesparen eine Daueraufgabe! Und zwar so, dass wir möglichst wenig Wachstum und Wohlstand gefährden. Da dürfen auch die privaten Haushalte nicht nachlassen.

Energiepreisbremsen müssen sitzen

Meine große Sorge für die nächsten Monate bleibt, dass unsere Unternehmen in eine dauerhafte Energiepreiskrise hineinrauschen. Ich will es klar sagen: Mit den derzeitigen Energiepreisen hat unser Standort im Vergleich zu den USA keine Chance. Deshalb müssen auch die Energiepreisbremsen sitzen. Da herrscht immenser Korrekturbedarf. Das Instrument geht in seiner jetzigen Form derzeit am Bedarf des energieintensiven industriellen Mittelstands vorbei.

Die Energiepreisbremse läuft ins Leere, weil sie durch das EU-Beihilferecht ausgehebelt wird. Da muss die Bundesregierung deutlich mehr tun. Die Rückmeldungen aus den Unternehmen – Chemie, Papier, Stahl, Glas, Aluminium – sind alarmierend. Bleibt das alles so, dann werden Entlastungen in erheblichem Umfang gar nicht erst ankommen. Kostendeckende Produktion ist dann vielerorts nicht mehr möglich. Und dann droht uns, dass viele Unternehmen aufgeben müssen – mit all den Folgen für unsere Wertschöpfungsketten. Und deshalb ist ein verlässlicher Industriestrompreis auf europäischer Ebene so eminent wichtig. Und wenn das nicht klappt, dann muss Deutschland eben einen nationalen Industriestrompreis entwickeln.  Da muss die Politik jetzt ran – und zwar schnell!

Der Bundeskanzler hat unlängst das neue Deutschland-Tempo angekündigt. Gesagt hat er das bei der Eröffnung des neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven. In der Tat hat dessen Planung, Errichtung und Inbetriebnahme in Rekordgeschwindigkeit geklappt. Doch das darf jetzt kein „One-Hit-Wonder“ bleiben. Das muss vielmehr die Benchmark für alle notwendigen Infrastrukturprojekte in Deutschland sein.

Enormer Handlungsdruck für erfolgreiche Transformation

Denn der Handlungsdruck ist enorm, wenn wir die Transformation unseres Landes erfolgreich schaffen wollen. Vielen in der Politik dämmert auch langsam, dass unser Land viele Jahre lang von seiner Substanz gezehrt hat. Die Wahrheit ist doch: Wir haben unsere Infrastruktur sträflich vernachlässigt – und das fällt uns jetzt in einer Zeit multipler Krisen und gleichzeitiger Erfordernisse im Klimaschutz vor die Füße. Deshalb muss die Ampel jetzt auch liefern – und das bedeutet: Keine Blockaden bei Windrädern, Trassen und Konvertern sowie beim Ausbau und der Sanierung von Autobahnen, Straßen, Brücken, Schiene und Wasserstraßen. Und beim Ausbau der digitalen Infrastruktur müssen wir noch einmal einen Gang hochschalten.

Und an die Adresse des Bundesarbeitsministers gerichtet: Wer seit Monaten immer wieder neue bürokratische Gesetzesvorhaben auf den Weg bringt und teure arbeits- und sozialpolitische Projekte entwickelt, nimmt das vom Bundeskanzler angekündigte Belastungsmoratorium für die Wirtschaft offenkundig nicht so ernst. Mobile Arbeit Gesetz, Tariftreuegesetz, Arbeitszeitgesetz – all das steht auf der Agenda von Hubertus Heil. All dies und vieles mehr bedeutet für die Betriebe höheren Aufwand und kostet sie viel Zeit.

Ein letzter Punkt, der in Zeiten wie diesen schon anachronistisch wirkt: Dass Teile der Koalition tatsächlich eine Debatte über Steuererhöhungen anstoßen, ist nahezu grotesk. Denn trotz aller Krisen sind die Steuereinnahmen so hoch wie nie. Steuererhöhungen wären nichts Anderes als eine Blutgrätsche gegen Zukunftsinvestitionen und damit gegen die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland. Um in der Fußballer-Sprache zu bleiben: Finanzmister Christian Lindner muss hier den Angriff von Rotgrün abwehren und seinen Kasten sauber halten. Wir brauchen Entlastungen und keine neuen Belastungen!

Wir brauchen in Deutschland jetzt eine echte Kraftanstrengung. Sonst gelingen weder die Energiewende noch die Mobilitätswende noch die Transformation des Landes. Und wenn das alles nicht klappt, dann scheitert auch die Klimawende. Es ist sichtbar, dass die Dringlichkeit vieler dieser Themen bei der Politik angekommen ist. Der Handlungsdruck ist hoch – in der Politik, in der Wirtschaft. Wenn wir Industrieland bleiben wollen, dann muss jetzt gehandelt werden. 2023 muss ein Jahr der Umsetzung werden!

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Arndt G. Kirchhoff

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