Wenn im September in NRW kommunal gewählt wird, geht es nicht nur um die Frage, welche Mehrheiten es in den kommenden fünf Jahren in den Kreistagen und Räten der Städte, Gemeinden und Kreise geben wird und wer als Bürgermeister und Landrat an der Spitze der Kommunalverwaltungen steht. Es geht auch darum, welche Rahmenbedingungen Land und Bund schaffen – oder eben nicht – damit wir vor Ort handlungsfähig bleiben.
Ein zentrales Problem: Die Finanzierung der Sozialleistungen. Rund 80 Prozent aller Sozialausgaben in NRW werden von den Kreisen getragen. Die Gegenfinanzierung durch Bund und Land reicht bei weitem nicht aus. Die Folge: Die Kosten explodieren – und weil die Kreise keine eigenen Steuern erheben können, müssen sie sich über die Kreisumlage finanzieren. Das Geld dafür kommt von den Städten und Gemeinden. Wenn der Kreis mehr Mittel braucht, steigt die Kreisumlage – und sofort droht Streit zwischen Städten, Gemeinden und Kreisen. Manchmal hat man den Eindruck, dass dieser Konflikt der Landespolitik gar nicht so unrecht ist: Er lenkt vom eigentlichen Kernproblem ab – der strukturellen Unterfinanzierung aller kommunalen Ebenen durch das Land NRW.
Brennpunkt Infrastruktur
Ein weiterer Brennpunkt: Die Infrastruktur. Wer Wachstum und wirtschaftliche Zukunft will, muss in leistungsfähige Straßen, Schienen und digitale Netze investieren. Bei uns in Siegen-Wittgenstein warten wir seit Jahrzehnten auf die Route 57 – eine moderne Straßenverbindung vom nördlichen Siegerland über Wittgenstein bis nach Hessen. Noch länger ist der zweigleisige Ausbau von Engstellen der Siegstrecke in Folge des zweiten Weltkriegs überfällig. Beide Projekte finden sich im vordringlichen Bedarf des aktuellen Bundesverkehrswegeplans. Doch es passiert nichts bzw. viel zu wenig und das im Schneckentempo. Beispiel: Obwohl die Siegstrecke gerade erst für Sanierungsarbeiten voll gesperrt wird, ist der zweigleisige Ausbau nach wie vor nicht in Sicht. Hinzu kommen die „Bröckelbrücken“ auf den deutschen Autobahnen, die für uns Südwestfalen als Industrieregion Nr. 1 in NRW ein immer größeres Problem darstellen. In unserer Region werden viele übergroße und überschwere Produkte gefertigt, die aus der Region heraus transportiert werden müssen. Hier brauchen wir verlässliche Wege. Die Sperrung der Rahmedetalbrücke hat die heimische Industrie bereits vor kaum lösbare Probleme bei ihren Schwerlasttransporten gestellt. Das alles blockiert nicht nur die Mobilität der Menschen, sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung unserer Region. Hier brauchen wir nicht nur finanzielle Unterstützung von Bund und Land, sondern auch schnellere und verbindlichere Planungsverfahren.
Das gilt auch für den ÖPNV: Das Deutschlandticket ist eine große Chance – gerade für uns als Region im Dreiländereck NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen. Verbundgrenzen spielen für die Nutzer endlich keine Rolle mehr. Das Deutschlandticket hat aber nur eine Chance, wenn die Finanzierung dauerhaft verlässlich und für die Verkehrsverbünde und damit für uns Kommunen auskömmlich geregelt wird. Solange die Finanzierung unklar bleibt und Bund und Länder nicht dauerhaft die gesamte Finanzierungslücke schließen, ist das Ticket für uns vor Ort ein finanzielles Risiko und steht permanent auf der Kippe.
Stabile Rahmenbedingungen für Unternehmen wichtig
Was bedeutet all das für unsere heimische Wirtschaft? Unternehmen brauchen stabile Rahmenbedingungen: funktionierende Verkehrswege für Lieferketten und Pendler, schnelles Internet für Produktion und Dienstleistungen, bezahlbaren und gut angebundenen Nahverkehr für ihre Beschäftigten. Wenn Kommunen und Kreise unter Dauerfinanzdruck stehen, leiden genau diese Grundlagen.
Meine Forderungen an Land und Bund sind deshalb klar:
- Vollständige Übernahme der Soziallasten, die durch Bundes- und Landesgesetze entstehen.
- Dauerhafte und ausreichende Investitionsmittel für Straßen-, Schienen- und Digitalprojekte.
- Verbindliche Finanzierungslösung für das Deutschlandticket.
- Planungsbeschleunigung für dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen.
- Ehrliche Kommunalfinanzreform, die Streit um die Kreisumlage überflüssig macht, statt ihn zu instrumentalisieren.
Kreise, Städte und Gemeinden in NRW haben großes Potenzial – wirtschaftlich, kulturell, landschaftlich. Aber dieses Potenzial kann nur dann wirken, wenn die Kommunen handlungsfähig bleiben. Dafür müssen Bund und Land endlich liefern.
Foto: Wladislaw Scheinmeier