Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

Wir brauchen die Praxis und die Praxis braucht uns!

Von Brigitte Göttling

Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

Brigitte Göttling, Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, erklärt im NRW-Wirtschaftsblog, warum richterliches Ehrenamt und Unternehmenspraxis so wichtig ist.

Die Arbeitsgerichtsbarkeit in NRW braucht Sie, meine Damen und Herren!

Warum eigentlich, so könnten Sie vielleicht fragen. Nun, seit den ersten Anfängen im 19. Jahrhundert zeichnet sich unsere Gerichtsbarkeit dadurch aus, dass aus den Reihen der Unternehmen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt an der Rechtsprechung und Streitschlichtung als ehrenamtliche Richterinnen und Richter mitwirken.

Ehrenamtliche Richterinnen und Richter

Alleine bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf sind insgesamt über 200 ehrenamtliche Richterinnen und Richter tätig. In ganz Nordrhein-Westfalen sind es ca. 4.500 Personen, die täglich ihre Berufserfahrungen in die Rechtsprechung einbringen. Damit stärken sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Rechtsfindung. Ich halte dieses Ehrenamt für sehr gewinnbringend für unsere Rechtsprechung und möchte an dieser Stelle dafür werben. Die Amtsperiode beträgt fünf Jahre, eine Wiederberufung für weitere Amtsperioden ist möglich. Die ehrenamtliche Tätigkeit als Arbeitsrichterin oder Arbeitsrichter ist - so wird mir immer wieder berichtet – aus vielen Gründen auch eine Bereicherung für die eigene Berufstätigkeit in den Unternehmen. Denn wichtige Erfahrungen aus dem Gerichtssaal nehmen Sie in Ihre betriebliche Praxis mit. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich für die Mitwirkung an der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte interessieren würden. Falls Sie Interesse haben, wenden Sie sich an den für Sie zuständigen Arbeitgeberverband oder an Ihre Gewerkschaft. Diese machen der Geschäftsstelle für die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf Vorschläge für die Berufung ins Ehrenamt. 

Unternehmenspraxis

Die Arbeitsgerichtsbarkeit braucht Sie aber auch noch in anderer Weise.

Unseren Richterinnen und Richtern ist es im Interesse praxisorientierter Rechtsprechung ein Anliegen, persönliche Einblicke von der aktuellen Situation in den Betrieben zu gewinnen. Dazu dient das Projekt „Unternehmenspraxis“, das wir auf Initiative von Unternehmer NRW auf die Schiene gesetzt haben. Grundlage ist eine Vereinbarung des Ministeriums der Justiz Nordrhein-Westfalen mit der Landesvereinigung der Unternehmerverbände NRW und dem DGB. Durch großes Engagement von Unternehmer NRW sowie vielen Unternehmen bei der Organisation von Praktika und Richtertagungen ist es möglich, dass unsere Richterinnen und Richter wichtige Einblicke in die aktuellen Betriebsstrukturen und Herausforderungen – auch für das Arbeitsrecht – gewinnen können. Zuletzt besuchte eine Kollegin ein international agierendes Unternehmen der Metallindustrie. Neben der Veränderung der Arbeitswelt in Folge der Corona-Krise und der dadurch bewirkten Beschleunigung der Digitalisierung lernte sie u.a. neue Arbeitsformen wie Activity Based Working sowie die Herausforderungen aufgrund des Umbruchs in eine klimaneutrale Zukunft kennen. Besonders schätzte sie die Aufgeschlossenheit von Geschäftsleitung, Personalabteilung und Betriebsrat. Dadurch erhielt die Kollegin aus einem für sie neuen Blickwinkel einen guten Eindruck von den jeweiligen Interessen und Positionen, dem Erwartungshorizont und der verfolgten Verhandlungsstrategien.

Für das große Engagement gilt allen Beteiligten mein herzlicher Dank. Den Dank verbinde ich mit der Bitte an Sie, zu prüfen, ob nicht auch Ihr Unternehmen an dem so wichtigen Projekt „Unternehmenspraxis“ mitwirken möchte.

Arbeitsgerichtliche Konfliktlösung und Entscheidung

Alles ändert sich, nichts bleibt wie es ist. So könnte man die rasanten Veränderungen in unserer digitalen Arbeitswelt zusammenfassen. Eines bleibt aber konstant: Dort wo gearbeitet wird, d.h. in der täglichen Praxis des Arbeitslebens, gibt es Konflikte zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Diese Streitigkeiten bedürfen einer Lösung. Eine solche unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien zu finden, ist die Kernaufgabe der 30 Arbeitsgerichte und der drei Landesarbeitsgerichte in Nordrhein-Westfalen. Daher gilt, dass die betriebliche Praxis auch die Arbeitsgerichtsbarkeit braucht. Wir sind modern und digital aufgestellt, um diese Aufgabe erfüllen zu können, und wir wollen sie qualitativ hochwertig und zügig erfüllen. Was es dazu braucht, sind engagierte Menschen, die die Gerichtsbarkeit unterstützten. Hierzu lade ich Sie ein.

Über den Autor
Brigitte Göttling

Präsidentin des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf

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