Von Mona Neubaur
Landesvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW
Die Zahlen sind katastrophal: Über 10% Einbruch beim BIP, die Steuereinahmen verzeichnen sogar ein Minus von 20%. Und nun? Braucht es ein Wunder – ein grünes Wunder.
Zu jedem Weg aus der Krise gehört als erster Schritt, sie als Krise zu erkennen, sie anzunehmen als Bedrohung, die nicht weniger als die Existenz in Frage stellt. Der Einbruch durch Corona war so massiv, dass wohl jede und jeder den Krisencharakter sieht. Wahr ist aber auch: Es gibt weitere Krisen zu bewältigen. Die Klimakrise kommt nicht so plötzlich, aber sie schlägt mit ungeheurer Wucht zu. Bei Corona können wir auf einen Impfstoff hoffen, auf Medikamente und ein irgendwie geartetes Zurück zur Normalität. Bei der Klimakrise ist das grundsätzlich anders. Die Erderhitzung ist da. Sie kann nicht mehr aufgehalten werden. Die Frage ist, können wir sie so verlangsamen, dass die damit verbundenen Folgen noch handhabbar bleiben.
Aus der Klimakrise hilft uns kein Impfstoff – da müssen wir schon selber ran.
In jeder Krise steckt auch eine Chance, das ist ein Allgemeinplatz. Was, wenn unsere Wirtschaft, die Beschäftigten und letztlich unser Land die Chancen in der Corona-Krise nutzt? Es wird nicht einfach und es wird nicht ohne Einschnitte gehen. Arbeitsplätze werden wegfallen und neue entstehen. Aber als Gesellschaft können wir auch gewinnen, notwendige Transformationsprozesse gestalten und Nachhaltigkeit, Vielfalt und Digitalisierung zusammenbringen. Was braucht es dazu? Nicht weniger als ein neues, ein grünes Wirtschaftswunder. Ökologisch, ökonomisch, digital und sozial.
Bei aller historischen Ambivalenz muss man feststellen: Hilfe von außen, eine kluge Politik, mutige Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Beschäftigten haben nach dem zweiten Weltkrieg einen Aufschwung in Deutschland geschaffen, der Millionen Menschen den Weg aus dem Kriegselend ermöglicht hat. Nun ist unser Land heute nicht zerbombt und auch in vielen anderen Aspekten ist unsere Lage mit der Nachkriegszeit kaum zu vergleichen. Was wir aber heute wiederholen können: Als politische Akteure viel Geld in die Hand nehmen, um aus der Krise herauszukommen. Und so die Wirtschaft wieder mit aufbauen. Jetzt müssen wir die Hunderte von Milliarden Euro aus Europa, Bund und Land nutzen. Wunder kommen eben nicht von alleine, wir müssen etwas für sie tun.
"Fest steht: Der Zeitpunkt für echte Investitionen und ein Umdenken in Unternehmen für eine zukunftsfeste Wirtschaft ist in Zeiten nicht vorhandener Inflation und Negativzinsen historisch günstig."
Gerade im Industrie- und Wirtschaftsland NRW müssen wir die Chance auf ein grünes Wirtschaftswunder nutzen. Weil drastische Maßnahmen wie bei der Corona-Krise nicht Vorbild für den Umgang mit der Klimakrise sein können. Wir müssen wirtschaftliches Wachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln. Den Verbrauch der Rohstoffe dramatisch verringern, denn es gibt keinen Planet B. Die Art mobil zu sein können wir verändern: bequem, klimaneutral und effizient. Es gibt ein enormes Potenzial für NRW, die Verkehre neu aufzustellen, Infrastruktur endlich wieder in Schuss zu bringen. Und wir müssen die erneuerbaren Energien von ihren politisch auferlegten Fesseln befreien. Das kann sofort passieren und es ist fahrlässig, weiterhin untätig zu bleiben.
Damit das gelingt, brauchen wir einen Konsens über Leitplanken, die die Politik jetzt für den Weg in die Zukunft aufstellen muss. Wenn es uns beim Stahl, der Chemie und den Grundstoffen gelingt, klimaneutral zu produzieren, dann ist NRW der Vorreiter, dann kann das den Exportboom der Zukunft begründen. In einem gestärkten europäischen Binnenmarkt. Braucht es dazu politische Anschübe, faire Bedingungen – etwa den Schutz vor klimaschädlichen Dumpingpreisen? Auf jeden Fall. Was wir nicht brauchen sind Milliarden an Konjunkturhilfen, um Geschäftsmodelle von vorgestern abzusichern. Der so genannte Kohleausstieg ist ein abschreckendes Beispiel, wie Gelder der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für eine Industrie der Vergangenheit und der Klimaschädlichkeit verbrannt werden.
Die Zeit des blinden Wachstums ist vorbei. Wachstum, das etwa auf dem Rücken der Beschäftigten, der Umwelt oder des Tierwohls generiert wird, hat keine Zukunft, das hat der Fall Tönnies überdeutlich gemacht. Wir sind gut beraten, Überschaubarkeit und Vorsorge als Werte für neue Märkte und widerstandfähigere Lieferketten zu etablieren. Denn die durch das Gegenteil verursachten, schmerzhaften Risse spüren wir aktuell. Corona hat aber auch deutlich gemacht, wo wir Wachstum bitter nötig haben. Eine weitgehend analoge Bildungslandschaft ist nicht krisenfest. Wenn wir nach dieser Krise nicht in digitales Lehren und Lernen und eine digitale Infrastruktur investieren, ist uns wirklich kaum noch zu helfen. Eine zeitgemäße Wirtschaft nutzt die Chance der Vielfalt und hebt die Potenziale gemischter Teams. Na klar, mit 50% Frauen!
Fest steht: Der Zeitpunkt für echte Investitionen und ein Umdenken in Unternehmen für eine zukunftsfeste Wirtschaft ist in Zeiten nicht vorhandener Inflation und Negativzinsen historisch günstig. Wunder gibt es immer wieder. Packen wir es an.