Der NRW-Wirtschaftsblog
Klartext
im Westen

So schaffen wir die Energiewende

Von Katherina Reiche

Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG

"Vor uns liegt eine Jahrhundertaufgabe", schreibt Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende Westenergie AG, im NRW-Wirtschaftsblog über die Energiewende.

„Scheitert die Energiewende, scheitert Deutschland“, schrieb das Centrum für Europäische Politik neulich in einer Studie (.pdf). Ein Weckruf zur rechten Zeit. Ja, Deutschland hat im Krisenmodus funktioniert und gezeigt, wie schnell und pragmatisch es handeln kann. Jetzt kommt es drauf an, diese Geschwindigkeit beizubehalten.

Vor uns liegt eine Jahrhundertaufgabe. Unsere Energieversorgung muss sicher, sauber und bezahlbar werden. Deshalb unterstützt die Energiebranche auch die Initiative der Bundesregierung zum massiven Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber eines wird in der öffentlichen Debatte sträflich vernachlässigt: Die Energiewende ist vor allem für die Verteilnetze der ultimative Stresstest. Und schon jetzt ist klar: Werden sie nicht massiv ausgebaut, werden sie diesen Test nicht bestehen – und dann scheitert die Energiewende. Anders gesagt: Wir brauchen eine leistungsstarke Infrastruktur.

Zwei Beispiele, um die Herausforderung zu konkretisieren. Bis 2030 erwarten wir allein im Gebiet von Westenergie rund 940.000 Solaranlagen – mehr als das Vierfache der bisher angeschlossenen Anlagen. Bei den Wärmepumpen geht es noch schneller vorwärts: Von aktuell 90.000 Anlagen auf schätzungsweise 888.000 im Jahr 2030. Wir brauchen den Netzturbo also nicht nur auf den Stromautobahnen der Übertragungsnetzbetreiber, sondern auch im Verteilnetz.

Die Energiebranche benötigt die richtigen Rahmenbedingungen

Keine Frage, die Energiebranche möchte die Energiewende unterstützen. Aber dafür benötigt sie die richtigen Rahmenbedingungen.

Es braucht erstens eine radikale und grundsätzliche Vereinfachung aller Verfahren: bei behördlichen Planungs- und Genehmigungsprozessen, bei Bearbeitungszeiten und Naturschutzvorgaben. Es braucht zweitens mehr Digitalisierung: Eine sichere Versorgung lässt sich künftig nur mit digitalen Ortsnetzstationen und intelligenten Smart Metern garantieren.

Und es braucht drittens höhere Investitionssicherheit. Den Netzausbau gibt es nicht umsonst. Nach Prognosen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft werden bis zum Jahr 2030 etwa 100 Milliarden Euro fällig – und diese Neuinvestitionen in Energienetze müssen sich für die Verteilnetzbetreiber auch lohnen.

Die Energiewende ist eine Jahrhundertaufgabe

Unstrittig ist: Wegen Elektroautos und Wärmepumpen wird unsere Infrastruktur mehr in Richtung Strom gehen. Trotzdem darf man nicht vergessen: Wir werden auch die Gasnetze noch brauchen, vor allem für die Transformation in Richtung Wasserstoff. Insbesondere der industrielle Mittelstand ist für eine klimaneutrale Produktion darauf angewiesen, auch und gerade in Nordrhein-Westfalen. Und zwar nicht nur die Stahl- und Chemieunternehmen, sondern auch Papierfabriken, die Zement- und Glasindustrie oder die Fliesen-, Zink- und Ziegelbranche.

Entscheidend ist auch hier: Pragmatismus. Wir dürfen keine „One size fits all“-Lösung anpeilen, sondern müssen uns nach den lokalen Gegebenheiten richten. Wir werden bestehende Gasnetze mit klimaneutralen Gasen weiternutzen, neue Wasserstoffleitungen bauen und Leitungen stilllegen, dort wo Gasanwendungen nicht mehr benötigt werden. Daher müssen wir die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen zielgerichtet anpassen.

Die Energiewende ist eine Jahrhundertaufgabe – und solche Aufgaben lassen sich nur gemeinsam lösen. Es geht nicht nur um mehr Klimaschutz oder Nachhaltigkeit. Sondern auch darum, dass vom Erfolg der Energiewende unser Wohlstand und unser sozialer Frieden abhängen – und damit die Zukunft unserer Gesellschaft.

Über den Autor
Katherina Reiche

Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG

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