Tariftreuegesetz - Überflüssig und bürokratisch

Wenn es um die Stärkung der Tarifbindung geht, wird oftmals ein Tariftreuegesetz gefordert. Damit soll die Vergabe öffentlicher Aufträge an eine Tarifbindung bzw. die Einhaltung von Tarifbedingungen geknüpft werden. Ein solches Gesetz ist jedoch in mehrerer Hinsicht problematisch: 

  • Ein Tariftreuegesetz ist ein Eingriff in gesetzlich verankerte Tarifautonomie: Das Grundgesetz garantiert den Sozialpartnern (Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften) eine geschützte Rolle. Und: Mit dem Prinzip der negativen Koalitionsfreiheit überlässt der Gesetzgeber den Unternehmen die freie Entscheidung, ob sie Mitglied von tarifgebundenen Arbeitgeberverbänden sein wollen. In beides würde der Staat mit einem Tariftreuegesetz – zumindest indirekt – eingreifen.
  • Ein Tariftreuegesetz steigert nicht die Tarifbindung: Es werden nur dann mehr Firmen tarifgebunden sein, wenn ein Tarifvertrag zur betrieblichen Realität der Unternehmen passt. Wie diese aussieht und was benötigt wird, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein, können nur die Praktiker selbst entscheiden. Ein Gesetz „von oben“ wird hierbei nichts bewirken – es schwächt vielmehr die Tarifbindung.
  • Die Stärkung der Tarifbindung ist Aufgabe der Sozialpartner selbst: Die Sozialpartner müssen eigenverantwortlich durch moderne Tarifregelungen Anreize für den Beitritt zum Verband (oder zu einer Gewerkschaft) schaffen können. Hierfür brauchen sie Handlungsspielräume, die sie selbst ausgestalten können.
  • Ein Tariftreuegesetz bedeutet massive Bürokratie: Die Verknüpfung von Tarifregelungen und Vergabe ist hochkomplex und hochbürokratisch – für Betriebe wie Behörden. Gerade in Zeiten, in denen eine schnelle Vergabe (u.a. Sondervermögen Infrastruktur) erforderlich ist, würde die Vergabe zusätzlich belastet und verlangsamt.
  • Tariftreueregelungen sind mittelstandsfeindlich: Schon heute sind öffentliche Vergaben für kleine und mittelständische Betriebe kaum mehr zu stemmen. Durch die Bürokratie und Rechtsunsicherheiten eines Tariftreuegesetzes würden sie sich noch stärker aus Vergabeverfahren zurückziehen.
  • Negativ-Beispiel NRW - Das Tariftreuegesetz als Bürokratiemonster: NRW hat schlechte Erfahrungen mit dem Tariftreuegesetz von 2010 bis 2017 gemacht. Die Folgen damals: Bürokratie, Überregulierung, überflüssige Kosten und erheblicher Mehraufwand bei Betrieben und öffentlicher Hand.   

Fazit: Tarifautonomie und die Vereinbarung von Tarifverträgen zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sind ein hohes Gut. Im Grundgesetz wurde bewusst entschieden, dass sich die Politik nicht in die Regelungen der tariflichen Arbeitsbedingungen einmischen soll. Daran darf nicht gerüttelt werden. Ein Tariftreuegesetz widerspricht zudem Zielen, die sich Politik selbst setzt, etwa den Bürokratieabbau oder die Stärkung des Mittelstands. Anders gesagt: Ein Tariftreuegesetz ist bürokratische Symbolpolitik.

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