Präsident Kirchhoff: „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands muss eine zentrale Aufgabe der neuen Bundesregierung sein“
„Auch unsere Gesellschaft muss wettbewerbsbereit sein“
„Wir werden unseren Wohlstand nicht mit weniger Arbeit, weniger Leistung und weniger Anstrengung halten können“
Die nordrhein-westfälischen Unternehmer haben den anstehenden Regierungswechsel im Bund als „Chance zu einem echten Neuanfang“ bezeichnet. Gegenwärtig wirke Deutschland wirtschaftspolitisch kraftlos, sei zudem strukturell tief verkrustet und damit international nicht mehr wettbewerbsfähig. Es drohe das dritte Jahr in Folge in einer Rezession. In dieser außerordentlich schwierigen Wirtschaftslage sei es von großer Bedeutung, dass der zwischen Union und SPD vereinbarte Koalitionsvertrag tatsächlich zahlreiche wichtige Impulse zur Erneuerung des Landes enthalte. „Unsere Botschaft lautet: Bringt Deutschland wieder nach vorn“, erklärte der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen (unternehmer nrw), Arndt G. Kirchhoff, am Montag auf dem Unternehmertag seiner Organisation in Düsseldorf. Die neue Bundesregierung müsse jetzt das Ruder herumreißen und für neue Zuversicht und echte Aufbruchstimmung sorgen.
Nach Worten Kirchhoffs braucht Deutschland angesichts der großen, auch existenziellen Herausforderungen jetzt insgesamt ein neues Mindset. Dafür müsse die Politik die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. „Und dazu braucht unser Land auch eine wettbewerbsbereite Gesellschaft“, sagte er. Es müsse jetzt in die Köpfe, dass Wohlstand ohne Leistung und Anstrengung nicht möglich sei. Es müssten auch alle begreifen, dass mit weniger Arbeit weder die internationale Wettbewerbsfähigkeit noch Wohlstand und damit auch nicht die Sozialsysteme gesichert werden könnten. „Ärmel aufkrempeln, anpacken, loslegen – das muss unser Land wieder stark machen“, betonte Kirchhoff.
Den künftigen Regierungsparteien bescheinigte Kirchhoff richtige Weichenstellungen in zentralen Handlungsfeldern. „In der Energiepolitik ist der Koalitionsvertrag wirklich überzeugend“, sagte er. Die dauerhafte Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß, die Deckelung der Netzentgelte, die Einführung eines Industriestrompreises für energieintensive Betriebe und die Abschaffung der Gasspeicherumlage seien ganz entscheidende Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland. Das Kapitel zum Bürokratieabbau lasse an schonungsloser Zustandsbeschreibung und auch an ehrgeizigen Zielen nichts zu wünschen übrig. Die Abschaffung des nationalen Alleingangs beim Lieferkettengesetz sei ein echtes Pfund. „Wenn jetzt auch noch all‘ die eher abstrakten Versprechen tatsächlich umgesetzt werden, könnte diese Bundesregierung als erste in die Geschichte eingehen, der Bürokratieabbau auch tatsächlich gelingt“, betonte Kirchhoff. Als „Beitrag zu mehr Fairness und Leistungsgerechtigkeit“ bezeichnete Kirchhoff die Umgestaltung des Bürgergeldes zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Mit Blick auf die Kritik zur Grundgesetzänderung für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung sagte Kirchhoff, in der Tat werde Deutschland allein mit Schulden noch lange nicht wieder strukturell wettbewerbsfähig. Werde das Geld aber für Straßen, Schienen, Brücken, Energieinfrastruktur und Digitalisierung richtig und wirtschaftsdienlich eingesetzt, könne es sehr wohl Schubkraft entfalten. „Ich füge hinzu: Nach dem Osten und dem Süden ist hier jetzt auch mal Nordrhein-Westfalen an der Reihe“, erklärte der NRW-Unternehmerpräsident in Anwesenheit des Ministerpräsidenten des Landes, Hendrik Wüst MdL.
Zu wenig ambitioniert seien Union und SPD indes in der Steuerpolitik. Der Investitionsbooster mit hohen Abschreibungen auf Ausrüstungsinvestitionen sei zwar ein positives Signal, verbessere aber nicht dauerhaft die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Die angekündigten Schritte zur Senkung der Körperschaftsteuer seien zu klein und kämen auch zu spät. Außerdem fehle nach wie vor eine umfassende Unternehmensteuerreform. „Die größten Sorgen mache ich mir bei der Sozialversicherung“, erklärte Kirchhoff. Er vermisse jegliche Zielvorgabe, die Lohnzusatzkosten wieder unter die 40-Prozent-Marke zu drücken. Stattdessen würden Leistungsausweitungen und Garantien angekündigt, die angesichts des demokratischen Wandels nicht zu halten sein würden. Er erwarte, dass sich die neue Bundesregierung im Laufe der Legislatur den Realitäten stellt und echte Strukturreformen einleitet.
Deutlich warnte Kirchhoff vor einer erneut politisch erzwungenen Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Damit würden deutlich mehr als hundert Tarifverträge ausgehebelt mit der Folge, dass in nicht wenigen Wirtschaftsbereichen dauerhaft keine Flächentarifverträge mehr abgeschlossen würden und am Ende die Tarifbindung weiter abnehme. Als „reine Symbolpolitik“ wies Kirchhoff die Forderung nach einer Einführung eines Tariftreuegesetzes zurück. „Kein Unternehmen wird deshalb einem Flächentarif beitreten“, so Kirchhoff. Stattdessen hätten in der Vergangenheit sämtliche Versuche in den Bundesländern gezeigt, „dass ein Tariftreuegesetz vor allem zu zusätzlicher massiver Bürokratie führt“.