Immer auf dem Laufenden:
Unsere News
aus NRW

NRW-Arbeitsmarkt 2021 - Zwischen Pandemie und Fachkräfteengpässen

Trotz Lockdowns im Frühjahr sowie anhaltenden konjunkturellen Herausforderungen erholt sich der Arbeitsmarkt in NRW seit Anfang des Jahres schrittweise von den Auswirkungen der Corona-Pandemie.

Auch auf die aktuelle vierte Welle der Pandemie müsse mit allen bewährten Mitteln wie zum Beispiel der erleichterten Kurzarbeit und einer umfassenden Impfkampagne konsequent reagiert werden. Das sagten die Spitzen der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, von unternehmer nrw sowie des DGB NRW, die heute gemeinsam eine Jahresbilanz gezogen haben. Der Arbeitsmarkt stehe vor großen Herausforderungen, die über die Auswirkungen der Pandemie hinausgehen. Neben dem Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit sei dies die Qualifizierung von Beschäftigten und Arbeitslosen angesichts eines durch die wirtschaftliche Modernisierung steigenden Fachkräftebedarfs.

Erholung des NRW-Arbeitsmarktes seit Februar

Seit Februar hat sich der Arbeitsmarkt in NRW schrittweise von den Auswirkungen der Corona-Pandemie erholt. Die Arbeitslosigkeit sank im September erstmals wieder unter die Marke von 700.000 arbeitslos gemeldeten Menschen. Mit rund 657.000 Personen im November erreichte die Zahl der Arbeitslosen das drittniedrigste Niveau seit 1992. Im Vergleich zur Zeit vor der Krise, zum November 2019, waren das 40.000 arbeitslos gemeldete Personen mehr. Im Sommer 2020, nach dem ersten Lockdown, hatte die Arbeitslosigkeit um 150.000 arbeitslos gemeldete Menschen über der Vorkrisenzeit gelegen. 2021 setzte auch das Wachstum der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung wieder ein. Im September wurde in NRW zum historisch ersten Mal die Zahl von 7,2 Millionen versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überschritten.

Diese robuste Entwicklung des Arbeitsmarktes während einer Krisenzeit verdankt sich auch den Wirtschaftshilfen und der Kurzarbeit. Insbesondere durch die Kurzarbeit wurde Beschäftigung gesichert und Arbeitslosigkeit trotz konjunktureller Belastungen verhindert.

Aktuell zeichnen sich mit der Erholung der Wirtschaft zentrale Herausforderungen am Arbeitsmarkt in NRW wieder deutlich ab. Teilweise auch beschleunigt durch die Pandemie haben Strukturwandel und Transformation in der Wirtschaft an Fahrt aufgenommen. Im Verlauf des Jahres 2021 wurden in vielen Branchen Anzeichen von Engpässen bei qualifizierten Arbeitskräften spürbar. So kamen landesweit im Januar auf 100 freie Arbeitsplätze für dual ausgebildete Fachkräfte 336 Bewerberinnen und Bewerber. Im November fragten nur noch 189 Personen hundert freie Fachkraftstellen nach. Zugleich aber stieg der Anteil der Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, deutlich.

Torsten Withake, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit:

Wir blicken zurück auf 20 Monate enger, vertrauensvoller und wirksamer Zusammenarbeit mit allen Partnern am Arbeitsmarkt in NRW. Diesem entschlossenen und unbürokratischen gemeinsamen Handeln ist es zu verdanken, dass wir zusammen mit passenden Stützungsmaßnahmen erfolgreich Arbeitsmarkt und Wirtschaft stabilisieren konnten. Dafür möchte ich mich bedanken, auch im Namen der Jobcenter und der Agenturen für Arbeit, die ihren Aufgaben ohne diese Unterstützung nicht so gut hätten nachkommen können. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf diesen guten Erfahrungen der Zusammenarbeit weiter aufbauen können - und müssen. Denn auf unser gemeinsames Handeln wird es auch in Zukunft ankommen. Die Bewältigung der Pandemie wird uns noch einige Zeit und Kraft kosten. Denn schon jetzt zeichnen sich deutlich weitreichende Veränderungen in der Arbeitswelt ab, die wir nur erfolgreich bewältigen können, wenn wir sie als gemeinsame Herausforderung begreifen.

Digitalisierung, Automatisierung, auch die notwendige Energiewende führen zu einem Wandel in der Arbeitswelt, der die Anforderungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigen und den Fachkräftebedarf zu einem zentralen Thema am Arbeitsmarkt werden lässt. Wir sehen aktuell auch, dass die Arbeitsmarktchancen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss erkennbar sinken was sich auf die Langzeitarbeitslosigkeit auswirkt.Unsere Aufgabe wird es sein, gemeinsam an der Stärkung des Ausbildungsmarktes zu arbeiten und zusammen noch tiefer in die Qualifizierung und Weiterbildung arbeitsloser Menschen und Beschäftigter einzusteigen. Damit Menschen auch auf einem Arbeitsmarkt im Wandel neue Perspektiven und Unternehmen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden.

Arndt Günter Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen e.V. (unternehmer nrw):

2021 war für den Arbeitsmarkt erneut sehr herausfordernd. Dass wir dennoch eine relativ stabile Lage vorfinden, geht auch auf das große Engagement der Unternehmen zurück. Sie stellen sich immer wieder auf neue Corona-Regelungen ein und sorgen mit umfassenden Hygienemaßnahmen für die Gesundheit ihrer Beschäftigten und damit auch für sichere Arbeitsplätze. Sie halten auch in außerordentlich schwierigen Zeiten an ihren Mitarbeitern weitgehend fest und kümmern sich durch eine starke Ausbildungsleistung um die Fachkräfte von morgen.

Danken möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit (BA) für ihr Engagement insbesondere rund um die Kurzarbeit. Gleichzeitig bestärke ich die BA darin, auch in diesen schwierigen Zeiten den persönlichen Kontakt zu den Kunden zu halten. Es gilt zu verhindern, dass junge Menschen am Übergang von Schule in den Beruf verloren gehen oder sich Arbeitslosigkeit verfestigt. Auch müssen wir den Blick noch stärker auf die Fachkräftesicherung richten, denn uns fehlen schon heute qualifizierte Mitarbeiter, die wir etwa für Digitalisierung und Transformation dringend brauchen. Zur Fachkräftesicherung und mehr Integration in Ausbildung und Beschäftigung brauchen wir gezielte Unterstützung bei den tatsächlichen Herausforderungen - zum Beispiel passgenaue Weiterbildungsangebote für bildungsferne Zielgruppen oder Fördermaßnahmen für Schulabgänger mit Lernlücken. Gleichzeitig sind gute und verlässliche wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen für Betriebe unerlässlich, damit sie in Ausbildung und Beschäftigung investieren können. Was uns nicht weiterbringt sind bürokratische und dirigistische Instrumente wie Garantien, Rechtsansprüche oder Fonds, die an den tatsächlichen Herausforderungen vorbeigehen. An passgenauen Lösungen sollten die Arbeitsmarktpartner gemeinsam arbeiten – die Wirtschaft steht dafür zur Verfügung.

Anja Weber, Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund NRW:

Wir stehen in NRW vor großen Herausforderungen, allen voran die Transformation, die unsere Arbeit und unser Leben nachhaltig verändert. Damit dieser Prozess gut gestaltet werden kann, müssen wir unseren Arbeits- und Ausbildungsmarkt dringend zukunftsfest machen. Da ist zunächst der hohe Anteil der Un- und Angelernten: Fast jeder fünfte junge Erwachsene in NRW verbleibt dauerhaft ohne jede berufliche Qualifikation. Langzeitarbeitslosigkeit ist für diese Frauen und Männer meist vorprogrammiert. Das ist nicht nur für die Menschen selbst dramatisch, sondern auch für unsere Wirtschaft: Sie klagt schon lange über einen sich verschärfenden Fachkräftemangel, der sich auf Grund der demographischen Entwicklung noch deutlich steigern wird.

Aus- und Weiterbildung sind wichtiger denn je, hier müssen wir deutlich mehr tun als bisher. Jedes Jahr landen bis zu 58.000 Jugendliche in sogenannten Warteschleifen an den Berufskollegs. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass alle Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch einen bekommen. Hierfür brauchen wir eine Ausbildungsgarantie und einen Zukunftsfonds Ausbildung. Beschäftigte und Arbeitslose müssen zudem die Chance erhalten, einen Berufsabschluss nachzuholen. Die neue Bundesregierung hat angekündigt, Arbeitslosen, die sich weiterbilden, das Arbeitslosengeld aufzustocken. Das ist ein wichtiges Projekt im Koalitionsvertrag, das schnell umgesetzt werden muss.

Aber selbst ein erworbener Berufsabschluss ist keine Garantie, nicht von Arbeitslosigkeit bedroht zu sein. Angesichts des Transformationsprozesses müssen sich viele Menschen neu qualifizieren, ob im Betrieb oder außerhalb. Mit dem Qualifizierungschancengesetz wurde ein wichtiger Schritt gemacht. Das reicht aber noch lange nicht aus. Wir brauchen endlich einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung.